Die fortschreitende Kapitalisierung der Gesellschaft geht auch an der Kunst - und Kulturpolitik nicht spurlos vorbei. Wo Förderungen gerechtfertigt werden müssen, fallen vorrangig Begriffe wie Umwegrentabilität, Indexanpassung oder Kosteneffizienz. Die Terminologie des ökonomischen Denkens dominiert die Strategien und Überlegungen zur Auf - und Umverteilung der vorhandenen aber schwindenden Ressourcen quer durch die Institutionen; ganz gleich ob am Burgtheater, das aktuell irgendwo zwischen Insolvenzmasse und Start-Up schwankt (damit es hoffentlich bald wieder so sein kann, wie es immer schon war), oder im Theater am Arsch der Welt, wo zuletzt ein von der Kulturpolitik forciertes Werk zur Fließbandproduktion popmigrantischer Kunst etabliert wurde.
Subventionsgeber spekulieren mit den Theaterhäusern, die Häuser spekulieren mit den Künstlern, die Künstler mit der Kunst und alle zusammen mit dem Publikum. Dabei übersehen oder ignorieren die Repräsentanten oft genug, dass die, die sie repräsentieren sollen und wollen, weder auf der Bühne noch im Zuschauerraum vertreten sind. Oder andersrum, aber auch nicht viel besser, dass sie ausschließlich vertreten sind.
Die Herausforderung in der Lotterie um die Anzahl der Theaterzuschauer zu bestehen, zeigt sich auch an den Intendanten, die selbst versuchen per SMS eine höhere Anzahl von Zusehern zu erreichen, indem sie das Programm ihren Freunden und Bekannten kurzfristig noch einmal schmackhaft machen. Aber natürlich ist der Zuschauer-Jackpot so nicht zu knacken.
Die Spekulation der "freien" Theaterlandschaft hat mit der Theaterreform begonnen, aber der eigentliche Reformwille lebt längst in der postspekulativen Kultur. REAL DEAL! will keine Kunden sondern Komplizen, will keine Kritik an bestehenden Verhältnissen, sondern andere Verhältnisse. Die Veränderung von Koordinaten der festgelegten Strukturen ist das Ziel die Realität selbst neu zu denken und jedes Vorhaben unabhängig von vorgegebenen Strukturen zu verwirklichen.
Wir haben das Recht, zu sagen, was gesagt worden ist, und sogar das, was noch nicht gesagt worden ist, und zwar auf eine Art, die uns entsprechen soll, die unmittelbar und direkt sei, die dem gegenwärtigen Empfinden gerecht wird und die ein jeder verstehen wird. (A.Artaud)
Mit REAL DEAL! analysieren, psychedelisieren, dekonstruieren und theatralisieren God’s Entertainment zusammen mit Christina Kubisch, geheimagentur, Ann Liv Young, Shrack!, The Bug, Lady Leshurr, Jaap Blonk, Ventil, Billy Roisz, etc. die Emotionen hinter den Fassaden des WUK.
REAL DEAL! remixt Performancekünste und Club Kultur: ein Karneval der diplomierten Zuschauer, ein Mantra für Unbefriedigte, eine Pre-formancefür ein neues Zeitalter, eine Turbospekulation.
Freitag, 12.12.
Samstag, 13.12.
In Koproduktion mit donaufestival und WUK-performing arts Mit freundlicher Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien © photo: peter mayr
Künstler:
Jaap Blonk: Dr Voxoid’s Next Move
Als Komponist, Dichter und Klangpoet zählt Jaap Blonk zu einem engen Kreis an Personen, die äußerst aktiv an der Erhaltung einer fast vergessenen Kunstnische arbeiten. Der 1953 in Holland geborene und lebende Laut- bzw. Soundpoet, welcher die eigene Stimme zu seinem Erkennungsmerkmal erkoren hat, hat es nicht nur geschafft, seine Version von Kurt Schwitters dadaistischer Ursonate lange vor dem Downloadzeitalter per Audiokassette als Bootleg zu verbreiten, er ist heute als Performer in diversen Konstellationen rund um den Globus anzutreffen. Er mischt in seinen Arbeiten Ausdrucksformen unterschiedlicher Sprachen, experimentiert mit unzähligen Kombinationsmöglichkeiten aus Zähnen, Zunge und Lippen und bezieht seit geraumer Zeit synthetisch erzeugte Klänge mit visuellen Animationen in seine Arbeit ein. Seine ungebremste Freiheit des Improvisierens und ungezwungene Präsenz als Performer erlauben eine Kommunikation mit dem Publikum die man selten antrifft. Soundpoetry wird nur lebendig wenn man sie hört behauptet Jaap Blonk und nimmt uns als Dr Voxoid mit auf die Reise in eine fast vergessene Welt des Dada und Fluxus mit Zara, Schwitters und Jandl.
Christina Kubisch: Electrical Walks*
Elektromagnetische Stromfelder sind überall: in Antennen, Transformatoren, Diebstahlsicherungen, Überwachungskameras, Handys, Lichtsystemen, Computern, Aufzügen, Straßenbahnleitungen, Navigationssystemen, Bankautomaten, Leuchtreklamen, Elektrogeräten. Tagtäglich bewegen wir uns in ihnen, meist ohne sie körperlich wahrzunehmen, wir lesen mehr darüber, als dass wir sie bemerken. Christina Kubisch lädt mit Electrical Walks zu einem Stadtspaziergang der besonderen Art. Mit einem speziellen magnetischem Kopfhörer und einer Umgebungskarte, auf der mögliche Routen und besonders interessante Stromfelder markiert sind, kann der Besucher sich allein oder in einer Gruppe auf den Weg machen. Dabei werden die Klänge ober- und unterirdischer elektrischer Ströme nicht unterdrückt, sondern im Gegenteil bewusst verstärkt und hörbar gemacht. Die Wahrnehmung des Alltäglichen wird sich beim Stromhören verändern, das Gewohnte in einem anderen Kontext erscheinen. Nichts sieht so aus, wie es sich anhört. Nichts hört sich so an, wie es aussieht.
*Aufgrund der beschränken Anzahl von Kopfhörer, erfolgt die Teilnahme an der Performance-Tour nur mit Voranmeldung!!!
Die 21-jährige Melesha O'Garro stiftet als Lady Leshurr aufregende Unruhe in der männlich dominierten Grime- Szene Englands. Mit einer Parodie auf einen Chris Brown/ Busta Rhymes-Song wurde Lady Leshurr 2011 zum youtube- Star, wenig später verdrängte sie mit ihrer Single »Blazin« Justin Timberlake von Platz 1 der MTV Charts. Ihre Musik klingt, als wäre Missy Elliott auf Speed durch eine Konfettikanone geschossen worden. Lyrics in Ultraschall- Geschwindigkeit schießen über quirlige Beats, während ihr Melodien direkt von der Zunge zu fließen scheinen, und sie die Gangster-Attitude von rappenden Testosteron- Kolossen mit durchtriebenem Humor konterkariert. Mit 14 begann sie Mixtapes zu veröffentlichen; inzwischen sind es acht und drei EPs, die eindrucksvoll den musikalischen Horizont der Engländerin mit karibischem Background zeigen. Live beweist Lady Leshurr, dass das »Next« aus dem britischen Pressezitat »Next Big Thing« gestrichen werden muss. Exklusives Österreich-Konzert!
Don’t think: I need to get in the industry - do what your heart needs to do and then the industry comes to you. (Zitat L.L.)
Es war einmal eine New Yorker Performance-Künstlerin, die ihr zahlreiches Publikum mit ausgefeilten Sirenengesängen und performativen Strategien à la Lacan regelmäßig zu schockieren wusste. Scheinbar angstfrei hielt sie massentaugliche Psycho-Messen ab, in deren Verlauf die Emotionen der Zuschauer alle erdenklichen Höhen und Tiefen durchliefen. Sie transformierte unsere Ängste und Psychosen, sie malträtierte ihren Körper und zeigte uns Ungläubigen, welche Kräfte solche ungewöhnlichen Bühnenereignisse erzeugen können. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann performt sie noch heute und erschafft morgen im Meerjungfrauenkostüm ein temporäres Monster, das bei REAL DEAL! aus dem Planschbecken steigt.
Shrack!: We Shrack Because You Don´t
SHRACK ist der lokale Ausdruck einer kleinen marokkanischen Gemeinde für die Schlacke, die bei der Kupferproduktion anfällt. Die Wurzeln zweier Bandmitglieder reichen direkt in diese Region zurück. Der Name sitzt: SHRACK ist das geronnene, kondensierte Nebenprodukt der Popmusik. Hier werden Köpfe noch mit Nägeln gemacht. Schroffe Kanten, organische Gebilde - da kannst du nicht einfach „Würfel“ dazu sagen, da musst du dir schon was überlegen! Die Band spricht intern über „den SHRACK“ als wäre er etwas Externes oder eine Art Roboter, den sie gemeinsam bedienen. Es geht um „Extensiv-exzessive, live gespielte Groove- und Loopsturkturen, irgendwo zwischen Sonic-Post-Kraut und einem frisch in die Psychiatrie eingeliefertem Jetlag DJ-Set“, heißt es aus dem Maschinenraum. Verwendet werden dazu Schlagzeug, (Sc)H(r)ackbrett (!), eine funktionserweiterte oder funktionsreduzierte (je nachdem) Gitarre, gekoppelt an Elektronik und arabische Sprachfetzen.
Kurzfassung: Es geht hier um die totale Defundamentalisierung des Abendlandes.
Text: Hubert Weinheimer
VENTIL setzt sich – schön bewusst – gleich zwischen eine Reihe von Stühlen. Sounds aus der Drum-Maschine paaren sich mit unbarmherzigem Schlagzeug und low-end Bässen. Dazu gesellen sich Synthesizer, Stromgitarren, Elektroakustisches und der passende Ambient. Wenn die Beats richtig losgelassen werden, dann kommen sie trocken-direkt und nageln auf die Ohrenpaare nieder. Garant für dieses Zusammenfließen von unterschiedlichsten Stil- und Spielarten ist natürlich die Besetzung von VENTIL. Vier Individuen mit unterschiedlichster musikalischer Sozialisation haben schön öfters für das „bessere“ Zusammenspiel gesorgt. Im Falle von VENTIL reichte ein verlängertes Wochenende im RAUSCH der Improvisation, um in den Spiegelfabrik Studios das Grundgerüst des gesamten Debut-Albums einzuspielen, das rechtzeitig zum Donaufestival auf gleichnamigen Label erscheinen wird. Rotz und Kraft statt monatelangem Herumgeschraube am Rechner. Ecke und Kante statt harmonisierenden Schliff. VENTIL lädt auch zeitweise zum Tanzen ein, zumindest jene, die dabei mehr als einen nackigen Beat vertragen...
VENTIL sind: Katharina Ernst (drums), Michael Lahner (synth), Flo Kindlinger (git., basssynth) & Peter Kutin (git,electronics)
Text: Karl Wratschko
The Bug ist nur eines der vielen Synonyme des britischen Musikers, Produzenten und Journalisten Kevin Martin, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit der Erschaffung brachialer klanglicher Neubauten aus den Materialien Industrial HipHop, Dub, Grime, Jazzcore oder Dancehall beschäftigt. Egal ob als The Bug, als Techno Animal (mit Justin Broadrick), als King Midas Sound (mit Roger Robinson und Kiki Hitomi) oder in seinen unzähligen Kollaborationen und Remixes mit und für DJ Vadim, John Zorn, Blixa Bargeld, Beastie Boys, Primal Scream, Grace Jones oder dem Anti Pop Consortium, seine dezibelgeschängerte musikalische Erscheinung gleicht einer Naturgewalt, die an extremer Energie und körperlich erfahrbarer Kraft ihresgleichen sucht. Zum Auftritt im WUK wird er mit dem britischen MC Flowdan erwartet: Ohren verohropaxen, Jacken festhalten und abheben!
geheimagentur: Walking on the water
Vor jetzt schon 2000 Jahren ist dieser Typ – Jesus – weltberühmt geworden. Zugegeben: ein paar von seinen Nummern waren eher so lala: Blinde können wieder sehen, Lahme können wieder gehen, Auferstehung – naja. Aber die Sache mit dem Wasser und dem Wein ist immer noch sehr praktisch, und die Sache mit den Schweinen, und dann noch diese dritte Sache - da fragt sich doch: wie hat der Typ das bloß gemacht? Majiec Antonski weiss wie's geht, und wird das auch demonstrieren. Im Ernst.
Seit Zeiten des entstehenden Christentums zählt die Wunder Jesu zu den größten Spekulationen. Neben diesen Wundern bringt uns Majiec Antonski von geheimagentur noch andere Nummer mit: Dämonenaustreibung, Schwein verzaubern oder über Wasser zu gehen. Vielleicht wird er uns in diesen Nächten von 12 auf 13. Dezember noch ein paar Theaterzuschauer verzaubern um das Theater zu retten. Majiec Antonski diesmal spekuliert nicht sondern macht es. Kommen Sie, Sie werden es nicht glauben! (Hugo Brot TXL)
Seit Ende der 1990er Jahre hat sich Billy Roisz intensiv mit den Medien Video & Sound auseinandergesetzt. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im Experimentieren mit der Verknüpfung auditiver und visueller Reize. Es geht um Interaktion zwischen Ton und Bild und der Auswechselbarkeit bzw. Einheit des bild- und tonerzeugenden elektromagnetischen Signals in den generierenden Maschinen. Die Umsetzung dieser Experimente erfolgt meist in Form von Live-Performances und audiovisuellen Installationen in enger Zusammenarbeit mit MusikerInnen aus dem Bereich experimenteller Elektronik und Noise, aber auch komponierter neuer und alter Musik, Tanz und Theater. Billy lebt und arbeitet in Wien. Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld ist die Produktion von Single-Screen-Arbeiten fürs Kino (Vertrieb SIXPACKFILM). Sie ist Co-Organisatorin des alljährlichen REHEAT Festivals.
... sounds like a sort of anarchic transposition of suprematist praecepts from plastics to electricity after yuppifying them by means of contemporary treatment of frequencies and an impressive weaponry of instruments and unstruments ... she manages to organize corrosive flow of noises by tantalizing vortexes of spooky mid-frequencies, progressive saturations over tonal curves which look like following hyperbolic trend , sonic peptic ulcers, fermentations of stunning drones, thunderous flashes of noises which broaden over the sonic sphere and high-pitched sharpening death throes of sound.
(Vito Camaretta - chain d.l.k. about Billy Roisz/'Walking The Monkey')