Um einer anscheinend vorherrschenden Meinung bezüglich der Arbeit bzw. der Produktionen von God´s Entertainment – Zitat Anna Heuberger für Klein&Kunst online über „Radovan Karadzić – King of Comedy“: Ja, die Intermedialität wäre mir aufgefallen. Auch sehr hübsch inszeniert. Jedoch der Rest? Eher weniger. Wieder mal Sex, Alkohol und Gewalt auf der Bühne. Geht’s auch anders? – weiterhin gerecht zu werden, werden God`s Entertainment wohl mit der Performance Love Club weiters Stoff für wie eben zuvor genannte Kritiken liefern.
Die stark an der Idee des von God´s Entertainment entwickelten Fight-Club’s angelehnte Performance Love Club zeigt rein vom Aufbau der technischen Seite keine wesentlichen Änderungen.
Anstelle des Austestens der Gewaltbereitschaft, wird jedoch bei Love Club die Grenze der sexuellen Obsession des Publikums und der Performer auf eine äußerst harte Probe gestellt. Gleichzeitig soll die Frage der offenen Zurschaustellung von Intimität und Vertrautheit hinterfragt werden.
Ziel dieses Spiels ist es wiederum via Fernbedienung in die Rolle eines Kämpfers – Lovers - zu schlüpfen und sein Gegenüber mittels Liebesbekundungen in die Knie zu zwingen.
Da dem Spielenden die Möglichkeit geboten wird mittels Joystick „seinen“ Lover zu steuern greift er (in)direkt in das Spiel ein. Er ist nicht selbst Part der Auseinandersetzung – aber er ist der Steuernde, der Verantwortliche. Er ist es, der den Ablauf bestimmt. Er ist es, der herausfinden muss ob das Gegenüber seiner „Marionette“ seine persönliche Grenze an Zuneigung erreicht hat und so „aufgibt“, oder nicht. Es stellt sich dabei die Frage wie weit die Grenze zwischen Spiel und Realität verschwimmen kann, wie weit man sich selbst (als auch den Lover) mit dem Spiel identifiziert, oder Teil davon sein will. Er ist verantwortlich für Intimität, Leidenschaft, Intensität,... . Wieweit geht eine Person in der Öffentlichkeit? Inwieweit lässt sich ein Mensch in der Öffentlichkeit, ohne dabei von Schamgefühlen erstickt zu werden, bzw. sie nach Außen zu zeigen, lieben? Verschiebt das „Spiel“ diese Grenze nach unten? Das Verschwimmen dieser durch Unfreiheit definierten Grenzen wird so auf die Probe gestellt.
Der Lover wird die Befehle des Spielenden konsequent ausführen. Anders als bei Fight Club muss sich der (Part des) Lover(s) bewusst sein, dass die gesteuerten Bewegungen und Liebesbekundungen in den Phantasien und der Willkür des am Joystick Spielenden begründet sein können und so dessen Vorgehen im Spielverlauf bezeugen. Gleichzeitig kann dies jedoch auch als Offenlegung der (des Joystick-Spielers) eigenen Vorgehensweise im Bereich sexueller Annäherung und daraus entstehender Obsession(en) gesehen werden.
Die Aktion wird wieder mittels Dj durch Sound und Videoprojektionen unterstützt. Musik und Bilder sollen Spannungen, Ruhezeiten, etc. aufnehmen und wiedergeben.
Mittels Joysticks werden die Lover so beweget, dass der Spielende (die sich am Joystick befindende Person) die Möglichkeit hat seine Figur zu lenken, bzw. ihr den Auftrag zur sexuellen Annäherung erteilt. Dies wird wieder mittels verschieden farbigen Leuchten vermittelt. Der Lover führt ohne Nachzudenken die Befehle des Spielenden aus. Sei es streicheln, ausziehen, küssen,... je nach der Ausreizungsbereitschaft der Grenzen jedes einzelnen Lovers. Die Liebesdienste sind nicht gespielt, weshalb ein vormaliges Proben dieses Stückes nicht als zielführend erscheint. Sollte jedoch jemand von GE’s PerformerInnen von sich aus über eine etwas eingerostete erotische Vergangenheit klagen, und so eine körperliche Gefahr für die weiteren Teilnehmer darstellen, können im Vorfeld ein bis zwei Proben vereinbart werden. (Die bei Fight Club verwendeten Zahnprotektoren zur Verringerung von Verletzungen im Oralbereich müssen bei Love Club jedoch zu Hause bleiben.) Der Kampf soll und kann nicht vorausbestimmt werden. Die Performance wird zur Aktion. Der Ausgang der Aktion ist somit offen. Soll ein Lover die selbst empfangene Liebe als nicht mehr ertragbar verspüren, muss er das Game Over vermitteln. Das Spiel ist somit zu Ende. Es hat einen Sieger und einen Verlierer. Die nächste Runde beginnt.
Das Spiel wird ebenfalls authentisch gespielt. Es gibt keinen Schein. Jeder der Mitwirkenden muss sich über die Konsequenzen seiner versprühten Liebe bewusst sein. Sei es als lenkender als auch als ausführender Part. Jeder, auch das zusehende Publikum wird gezwungen über sein Eingreifen, bzw. sein nicht Eingreifen und Zulassen, Zusehen zu reflektieren. Auch Wetten werden wieder angenommen.
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Die Theaterstürmer von GOD`S ENTERTAINMENT akzeptieren keine Genregrenzen, ungehemmt bedienen sie sich zeitgenössischer künstlerischer Strategien wie Sampeln, Fake, Dekonstruktion und Montage und machen auch vor der Aneignung theaterferner Formate wie Computer-Spielen keinen Halt. Mit "Fight-Club / Realtekken°" begann God´s Entertainments künstlerische Beschäftigung mit Computer-Spielen. Im Zentrum der Untersuchung steht die bewusste Vermischung von Spiel und Realität. Die Anordnung: 8 Performer, 2 Moderatorinnen, 2 Joysticks, 1 Wettenannehmer und Publikum. Viele der zurzeit in der Theorie heiß diskutierten Fragen z.B. nach kollektiver Autorenschaft und Authentizität fließen in die Arbeit ein. God´s Entertainment schöpfen "interaktive Environments" in denen der Körper als Ort der Auseinandersetzung wieder ins Zentrum tritt. Sie sampeln ungeniert avantgardistische Strömungen wie Happening, Aktionskunst und Performance und setzen sie in ein Spannungsverhältnis zu neuen Medien. Nun remixen sie sich schon selbst: Die Struktur und der Aufbau von "Love - Club" gleicht der "Fight Club"-Show. Doch nun wird nicht die Gewaltbereitschaft des Publikums ausgelotet, im Love-Club geht es um das scheinbar persönlichste auf unserer Gefühlsskala, die Liebe. Die Zuschauer steuern die Annäherungsversuche der Performer und entscheiden, wer mit wem, wie lange und wie intensiv. Die Performer begeben sich in die Hände ihres Publikums, die Zuschauer erleben zum einen den Kick, reale Menschen, keine Simulationen aufeinander los zu lassen, zum anderen sind sie Zeuge, Vorantreiber und Teil einer inszenierten und gleichzeitig wahrhaftigen Intimität. Ist einer der Performer vor den Liebesbekundungen des anderen in die Knie gegangen, geht die nächste Runde los. God´s Entertainment sind Enttäuschungsprofis: Wer glaubt, voyeuristische Bedürfnisse während der Performance befriedigen zu können, wird ganz sicher verstört den Zuschauerraum verlassen. Für die Performer ist der Aspekt der Hingabe und der öffentlichen Liebesbereitschaft ausschlaggebend für ein außergewöhnliches Theaterspektakel. Und sie müssen sich darauf gefasst machen, in ihren Bewegungen den Fantasien und Sehnsüchten des Publikums ausgesetzt zu sein.
Oft weiß man hinterher nicht genau, was wirklich passiert ist: Kunst oder Unfall? . Man könnte seitenlang schwadronieren über die Zuschauerperspektiven, die politischen Dimensionen ihrer Theaterdekonstruktionen oder die Hellsichtigkeit in der Auswahl ihrer Themen. Oder man tunt sich einfach mit PJ Harvey ein und macht sich bereit für ein exclusives und unkonventionelles Stück Kunst: Kommt küssen, wir machen mit!
I can't believe that life's so complex
When I just want to sit here and watch you undress
I can't believe that life's so complex
When I just want to sit here and watch you undress
This is love, this is love
That I'm feeling | PJ HARVEY|
° Tekken = Eines der ersten Playstation-Spiele, Wegbereiter der sogenannten Beat´em up-Spiele. Im November erscheint die 7. Generation des Spieles.
- Love Club gastrierte im Rahmen der brut Eröffnung im November 2007 und im Rahmen der WUK Saison Eröffnung im September 2009 |beide hosted by God's Entertainment|
- Love Club @ MADE UP - Liverpool Biennial 24|10|2008 00:00 - Liverpool
- Super Nase & Co - This is not Liverpool? 23-25|10|2008 - Liverpool
- Love Club @ Zeitgeist - Washington DC 10|05|2014| 22:00 - Goethe Institut DC
In Koproduktion mit KAMPNAGEL in Hamburg
Uraufführung, tatsächlich: 28.9. 24:00 h - C6 Kampnagel, Hamburg