In Messer-Mord: Klinge steckte noch in der Brust wird versucht dem ersten Verbrechen seit der Vertreibung aus dem Paradies auf den Grund zu gehen. An was einst Abel glauben musste, an das musste auch Woyzecks Freundin Marie glauben und an das müssen auch einige Menschen glauben, während dieser Text verfasst, gemailt und gedruckt wird. Während Sie diesen Text lesen, macht Ihr Nachbar vielleicht seine letzten Atemzüge, weil ihn dessen Frau mit seiner Sex-Affäre zu Hause erwischt hat. Vielleicht werden sogar Sie schon bald daran glauben müssen, wenn Sie nach der Arbeit den Heimweg antreten und zufälligerweise im Bus oder in der U-Bahn an einen Irren geraten, der mit seiner geklauten Waffe durchdreht. Wir wünschen es Ihnen natürlich nicht, denn wir wollen Sie weiterhin im Theater begrüßen dürfen. Aber alles kann passieren.
„Dies ist schon der dritte Mord am Tempelhofer Ufer in einem Umkreis von 300 Metern im letzten halben Jahr“, klagt eine Mitbewohnerin des Hauses. Genug. God’s Entertainment will sich aufs Theater konzentrieren. Frei nach dem Motto: „Keine Angst, das ist nur Theater!“,
erhalten unbescholtene BürgerInnen die Möglichkeit, sich dem Thema Verbrechen zu nähern, ohne Angst vor einer wirklichen Straftat haben zu müssen. Einzig die Haftentlassenen auf der Bühne wissen, wovon sie sprechen.
Aber haben Sie keine Angst, God’s Entertainment lässt Sie heute nicht allein!
In Koproduktion mit HEBEL AM UFER
Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds Berlin
In MESSER-MORD: KLINGE STECKTE NOCH IN DER BRUST (NACH BÜCHNERS „WOYZECK“) richtet das Wiener Performancekollektiv God’s Entertainment sein Interesse auf den Augenblick, in dem der Entschluss gefasst wird, eine Straftat zu begehen, die anschließend auch tatsächlich ausgeführt wird. Während das öffentliche Interesse am Verbrechen abflacht, sobald die Täter verurteilt sind, verfolgt God’s Entertainment die Geschichten weiter. Gemeinsam mit Berliner und Wiener Strafentlassenen, die sich zurzeit in der Wiedereingliederung befinden, nimmt God’s Entertainment den Schluss von Georg Büchners Dramenfragment Woyzeck ernst und zielt direkt auf den kriminellen Aspekt des Mordes des Soldaten Woyzeck an seiner Geliebten Marie. Davon ausgehend entwickelt God’s Entertainment ein Bild von den Ursachen für menschliche Verbrechen. In der Weiterentwicklung der im Dezember 2011 am Hebbel am Ufer – HAU, Berlin, uraufgeführten Produktion entstehen im Laufe des Abends Collagen des Lebens der ehemaligen Strafgefangenen – von der Straftat über die Haft bis zur Resozialisierung. Aktuelle Medienberichte über Mordfälle unterbrechen den Fluss der Vorstellung und das Publikum wird im Lauf des Abends zu seinen Rechts- und Moralvorstellungen sowie zu Georg Büchner selbst und dessen Woyzeck befragt. Mit seinem neuen Stück balanciert God’s Entertainment auf dem schmalen Grat der Rechtschaffenheit, der die Menschen von der Straftat trennt. | brut-wien
Wiener Version in Koproduktion mit brut-wien
Mit freundlicher Unterstütung der Kulturabteilung der Stadt Wien MA7
Die Wiener Theaterstürmer von God’s Entertainment übersetzen Büchners fragmentarisches Werk in einen assoziativen Bilder- und Textbogen. Gemeinsam mit Strafentlassenen, die sich zurzeit in der Wiedereingliederung befinden, sezieren God’s Entertainment den Klassiker und zielen direkt auf den kriminellen Aspekt des Mordes von Woyzeck an seiner Geliebten Marie ab. Der Plot wird auf essentielle Motive reduziert und in intensive performative Momente übersetzt.
Die gesellschaftliche Frage nach Freiheit wird ebenso diskutiert wie die nach regulierenden Normen. Strafentlassene aus Berlin waren von Beginn an in den Arbeitsprozess involviert. Für die Aufführungen auf Kampnagel haben God’s Entertainment ein neues Ensemble zusammengestellt, in das auch Hamburger Strafentlassene integriert sind. Das Wiener Kollektiv God’s Entertainment ist seit 2007 regelmäßig auf Kampnagel zu Gast, es verblüffte und verzauberte das Publikum bereits mit Projekten wie Hamburg International, Trans-Europa-Bollywood und Love-Club. | kampnagel
VON UND MIT God’s Entertainment und Haftentlassenen aus Berlin Wien und Hamburg
Mit freundlicher Unterstützung der Ilse und Dr. Horst Rusch-Stiftung.
PETER KUTIN live act am 23.11. /23:00 KMH im Anschluss an die Vorstellung
support by DJ SCHWEIN
«Wir machen kein politisches Theater», meint Boris Ceko kategorisch. «Das ist ein Begriff aus den 1970er- oder 80er-Jahren. Wir machen das Theater politisch.» Eine klare Ansage. Boris Ceko, Mitglied des Wiener Theater- und Performancekollektivs God’s Entertainment will nichts zu tun haben mit einem leicht konsumierbaren Polit-Theater, das doch nichts ändern kann am Lauf der Welt. «Was uns antreibt, ist die Frage, inwiefern kann Theater, kann eine Theatersprache noch was bewirken in dieser Gesellschaft», erläutert er.
Seit 2005 mischt God's Entertainment die freie Theaterlandschaft in Europa auf. Mit ihren fast 50 Aktionen, Performances und Inszenierungen legen die Mitglieder eine Kreativität an den Tag, die staunen lässt. Für jedes Thema, für jedes Projekt erfinden sie eine neue, adäquate Form.
Zuschauer, mach doch was!
Doch eines bleibt immer gleich: Sie verwandeln jeden Spielort zum öffentlichen Raum, in dem die Zuschauer zu Akteuren werden. Das irritiert, provoziert, gehört aber zur Methode von God’s Entertainment: In einer ihrer ersten Aktionen verprügelte ein weisser Darsteller einen schwarz geschminkten Performer so lange, bis Passanten eingriffen – und das konnte lange dauern. So thematisierten sie die tägliche Gewalt auf öffentlichen Strassen und Plätzen.
Woyzeck, Drogenhändler und Datendiebe
In den Berner Vidmarhallen wurde niemand geschlagen. In ihrer Woyzeck-Adaption «Messer-Mord: Klinge steckte noch in der Brust» betraten die Zuschauer zuerst ein Klassenzimmer und wurden von einer strengen Lehrerin nach Georg Büchners «Woyzeck» befragt. Sofort war man mitten drin im Diskurs um Verbrechen, Moral und gesellschaftliche Verantwortung.
This video will open in a new window: Video "Als wär ein Stück von Woyzeck in uns allen" abspielen.
Dann betrat Woyzeck die Bühne. Nicht einer, sondern viele. Ehemalige Strafgefangene konfrontierten das Publikum mit ihren Taten: ein notorischer Schwarzfahrer, eine ehemalige Prostituierte, ein Datendieb. Schwere Körperverletzung, Drogenhandel – die Erfahrungen der Ex-Kriminellen lieferten das szenische Material für das Stück.
Das Theater von God’s Entertainment hat Methode: Es überschreitet Grenzen, integriert den Zuschauer als Bürger in den theatralischen Prozess. Schockierende Mittel sind der Gruppe genauso wenig fremd wie eine subtile Art von Humor.
Frührentner und Obdachlose im Menschenzoo
2013 baute das Kollektiv für die renommierten Wiener Festwochen ein Integrationscamp für Österreicher. Mit der Aktion «Österreicher, integriert Euch!» konfrontierten sie Inländer mit ihrem Rassismus und ihrem Unwissen Ausländern und Fremden gegenüber. Die rechtsradikale Partei FPÖ schrie Skandal und protestierte gegen die Kunstaktion im österreichischen Parlament.
Einen anderen Skandal provozierte God’s Entertainment dieses Jahr in Hamburg während des «Live Art Festivals». Auf Kampnagel bauten sie einen Zoo für Menschen aus sozialen Randgruppen. Die Installation «Human Zoo» zeigte Roma, alleinerziehende Mütter, Hartz-IV-Empfänger und Obdachlose. Man konnte an einem Kiosk kleine Geschenke kaufen und sie füttern – wie exotische Tiere im Zoo. Ein grausames Bild für Ignoranz und soziale Kälte.
Direkter geht es nicht: 500 Gramm deutscher Faschismus
Viele Aktionen von God’s Entertainment arbeiten mit einer sehr speziellen Art von schwarzem, oft anarchistischem Humor. So versuchten sie auf dem Wiener Naschmarkt Ideologien zu verkaufen. Marktschreierisch priesen sie getrockneten Feminismus oder Kommunismus aus Bodenhaltung an. Es gab Bücher und Ideologie-Päckchen, original verpackt – so wie am Gemüsestand nebenan.
Egal, was sie tun – sie setzen auf Kommunikation mit dem Publikum, sie wollen Fragen stellen und legen den Finger direkt in die Wunden unserer modernen Welt. Sie provozieren – klug, manchmal geschmacklos, aber immer grenzüberschreitend. Man kann sich dieser Form von radikaler Direktheit kaum entziehen. Und das ist die Wucht, die dieses Theater politisch macht..
God's Entertainment: «Wir machen das Theater politisch!» by Eduard Erne @ SRF
MESSER-MORD: KLINGE STECKTE NOCH IN DER BRUST
|nach BÜCHNERS WOYZECK |
23-26.OKTOBER 2013. | 19:30H | VIDMAR
STADTTHEATER | BERN | SCHWEIZ
IN KOPRODUKTION MIT SCHLACHTHAUS THEATER BERN
MESSER-MORD: KLINGE STECKTE NOCH IN DER BRUST
|nach BÜCHNERS WOYZECK |
21-24. NOVEMBER 2012. | 20H | K2
KAMPNAGEL | HAMBURG
MESSER-MORD: KLINGE STECKTE NOCH IN DER BRUST
|nach BÜCHNERS WOYZECK |
30. MÄRZ - 04. APRIL 2012. | 20H | KÜNSTERHAUS
brut-wien | WIEN
MESSER-MORD: KLINGE STECKTE NOCH IN DER BRUST
|nach BÜCHNERS WOYZECK |
16-19. DEZEMBER 2011. | 20H | HAU3 | PREMIERE
HEBBEL AM UFFER | BERLIN