TIROL ISCH LEI OANS

TIROL ISCH LEI OANS

a wild niche by Gods Entertainment | divus

 

Was würden wir armen Menschen machen, wenn wir uns nicht immer wieder eine Idee schaffen würden von Vaterland, Liebe, Kunst und Religion, mit der wir das instere schwarze Loch immer wieder so ein bisschen verdecken können. |Max Beckmann, Briefe im Krieg| 

Wechseln wir unklare Ideen mit klaren Bildern!

Die absichtlichen Bilder der GE Aktion „Tirol isch lei Oans“ versuchen ähnlich wie in Fassbinders Film „Katzelmacher“ oder „Angst essen Seele auf“ das Provinzleben zu entlarven bzw. das Nationalgefühl oder näher beschrieben den Nationalstolz durch die Tätigkeit der Einwohner auszulösen. Diese Einstellung als Macht von unten sollte aufgedeckt werden, damit sich der Mensch als politische Codierung des Patriotismus bewusst entkleidet.
Xenophobie, Potenzneid, Nationalbewusstsein, Familienehre, Homophobie, Machostyle, Sodomie, Pädophilie, Freiheit, Macht und vor allem Vertrauern durch die Provinztätigkeit werden zur Handlung. Das inszenierte Fotosetting führt zur Parodie: Vertraue niemals einem Menschen, der schlecht über sein eigenes Land und Tätigkeit redet. Um die gesamten Porträts bzw. das Klischee des provinziellen Lebensstils, des Stolzes, durch einschlägige Tätigkeiten zu erreichen, wird dies mittels Stereotypen der Region dargestellt. Damit wird auch die Deinition der Lokalpatriotie unmittelbar erfühlt: Patriotismus ist das, was ich jeden Tag tue.

Die Verdrängung einer Realität
Alle Bilder entsprechen der Wahrheit, einer Realität welche in der Provinz immer wieder vermieden wird. Die Bilder übermitteln eine Reihe von Tabuthemen, mit welchen sich die ansässige Bevölkerung selbst nicht konfrontieren will bzw. drüber schweigt, über die die Öffentlichkeit nicht informiert wird und aus welchen meistens nur Witze entstehen. (In einer kleinen Landsnische entsteht ein riesiges Problem, das man bevor es „draußen“, z.B. in der Presse ist, unterdrücken muss.) Die Position der Bilder gehört einer Realität, welche für sich selbst spricht und von sich selbst besessen ist; die sich gegen das Klischee stellt und sich in der Öffentlichkeit präsentiert. Diese Realität ist Tiroler Realität, die wir nicht im Dunkel lassen dürfen, weil sie aus einer Schule der Tradition kommt, in welcher eine provinzielle Erziehungsform herrscht. Diese Form der Tradition entspringt zu Hause und verplichtet jeden: diese Fälle, welche die Bilder relektieren, muss man vermeiden weil sie unserer Tradition schaden und versuchen Schande aufs Land, auf Familienruf und die katholische Kirche zu bringen. Sie führen zur Erniedrigung des Menschen und so zur provinziellen Gesellschaft. Man darf nicht vergessen: Bisch a Tiroler, bisch a Mensch. Ebenso darf man nicht vergessen, dass unser Land, unsere Familie und unsere Kirche die Prioritäten sind! Dieses Heilige Trio wird hier nie zum Verzweifeln kommen. Bevor eine Möglichkeit zur Verzweilung besteht oder bevor solche Bilder in die Öffentlichkeit kommen, muss man sie verhindern und besiegelt aus Tirol vertreiben.

Die Identität stiftet die Tätigkeit
Die Identität, die hinter jeglicher Tätigkeit steht und an dieser Stelle bildsprachlich befreit wird, erzeugt eine neue Wirklichkeit und Rezeption der Tätigkeit. Über diese nachgestellte Bildsprache entdeckt sich eine möglich endlose Entwicklung der Machtmechanismen und Veränderbarkeit des Körpers, strukturiert sich eine neue Wahrnehmung der Provinz, eine künstlerische Auseinandersetzung mit Tradition, Patriotismus, der katholischen Kirche, Heldentum und ihren Rollen in der Gesellschaft. Hier stellt sich die Frage des Vertrauens zur künstlerischen Arbeit, die Frage der Wechselwirkung zwischen Fiktion und Realität und die Frage des individuellen Verhältnisses zu den Bildern bzw. ihrer Referenz. Diese Bilder relektieren das Bewusstsein des Zuschauers und seine Selbstbestimmtheit zur politischen Position der Sujets.

Die Fotostrecke beinhaltet 9 Fotografien |1900x1500mm|. Fotografiert und entwickelt in Tirol, gedruckt in Prag.

In Zusammenarbeit mit Peter Mayr
Ausgestellt @ Divus Unit 30 London |4.6. - 11.7. 2009 | Divus Umelec Prag 18.12.2009. - 31.01.2010 | WUK Projektraum 31.1. - 2.2. 2011| 

Mit freundlichen Unterstützung der Wien Kultur - MA7

Date

04 June 2009

Tags

2009