Eine literarische Installation, performt @ God's Entertainment | Im Rahmen des Projekts Referat Mozart 2056 kuratiert von Julius Deutschbauer & Gehard Spring | TQW - Dezember 2005.
Dialog zwischen Eichmann und Mozart
by David Jagerhofer
Eichmann: Sie fesseln mich an ein Bett. Ich werde in vollkommenem Schweigen festgehalten. Sie wollen mir ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit geben. Kurz vor Morgengrauen bin ich völlig zermürbt. Sie fragen nach meinem Namen. Ich nenne meinen spanischen. Sie sagen nein, nein, nein, ihren deutschen Namen. Ich nenne meinen deutschen Decknamen. Sie sagen wiederum, nein, nein, nein, ihren richtigen deutschen Namen. Ich strecke mich auf meinem Bett, als will ich Haltung annehmen und sage laut und deutlich „Alois Eichmann“. Sie fragen mich nicht weiter. Es gibt sonst keine Fragen.
Ich bin nichts anderes als ein getreuer, ordentlicher, korrekter, fleißiger und nur von idealen Regungen beseelter Angehöriger meines Vaterlandes. Aus dieser Einstellung heraus erfüllte ich reinen Gewissens und gläubigen Herzens meine mir befohlene Pflicht.
Mozart: (mischt sich ein, schreit und schimpft) Dreck! Dreck! Dreck! O süßes Wort! Dreck!
Eichmann: (fährt fort) Und ein innerer Schweinehund und ein Verräter war ich nie. Trotz gewissenhafter Selbstprüfung muss ich für mich feststellen, dass ich weder ein Mörder noch ein Massenmörder bin. Um aber haargenau bei der Wahrheit zu bleiben, und wenn ich mit mir selbst hart und rücksichtslos zu Gericht gehe, möchte ich mich, obgleich an meinen Händen kein Blut klebt, der Beihilfe zur Tötung bezichtigen. Denn mit Ablieferung der Transporte an der Zielstation laut Fahrplankonferenz erloschen meine Zuständigkeiten.
Ja, ich habe sie transportiert, und hätte ich das nicht getan, dann wären sie ja nie zum Schlächter gekommen. Ein Bereuen ist eine billige Ausrede, ein Nonsens, denn nachher kann leicht jedes kleine Kind plärren: es tut mir furchtbar leid, ich bereue es und werde es nie wieder tun. Solange aber die Feindesseite nichts bereut, habe ich auch nichts zu bereuen. Die Verantwortung, das Gewissen, muss die Staatsspitze haben. Und es wurde ja dauernd gepredigt, in Wort und in Schrift: Vertrauen zur Führung.
Ich darf sagen, dass ich meinen Befehlen, die ich bekommen hatte, eidgemäß gehorchte. Es wäre denkbar gewesen, dass das berühmte Kamel durch das Nadelöhr geht, aber undenkbar, dass ich mir gegebenen Befehl nicht gehorcht hätte.
Mozart: (mischt sich wieder ein) Sie machen mir zu wissen, sie erklären, sie deuten mir an, sie mögen, sie benachrichtigen mich, sich machen mir kund, sie befehlen. Ich scheiß dir auf die Nasen.
Eichmann: (fährt fort) Ich habe den Befehl bekomme. Ich konnte nicht anders, ich hatte Befehl. Aber mit der Sache an sich hatte ich nichts zu tun.
Und eine Auslegung des Befehls ist nicht Aufgabe des Nachgeordneten, und zwar, soviel ich weiß aus grundsätzlichen Erwägungen. Ein Nachgeordneter hat keine Befehle auszulegen. Die Verantwortung müssen die Befehlenden übernehmen.
Ich machte mir über Detailsachen überhaupt gar keine Gedanken – überhaupt keine Gedanken. Ich gehöre zu der Kategorie Mensch, die sich ein eigenes Urteil überhaupt nicht bilden. Und da ich mit all diesen Sachen lange Zeit überhaupt nicht befasst wurde, so habe ich mir darüber auch gar keine Gedanken gemacht. Weil ich sie mir auch nicht zu machen brauchte.
Mozart: (mischt sich ein, schnell) Ich bin, ich war, ich wär, ich bin gewesen. ich war gewesen, wär gewesen, ich hab geglaubt, ich hab gedacht, ich bin, ich denke, ich bin, ich bin ich bin du bist gewesen.
Eichmann: (fährt fort, gleichgültig) Ich habe nie gesagt, dass ich nicht gewusst hätte, dass dort liquidiert wird. Bloß hatte ich damit nichts zu tun.
Ich bin kein Judenhasser. Ich bin nie Antisemit gewesen, daraus habe ich auch nie einen Hehl gemacht. Ich will mich aber damit nicht loben. Schon in der Volksschule hatte ich einen jüdischen Schulfreund, und als wir uns das letzte Mal trafen, gingen wir zusammen in Linz auf der Landstraße spazieren.
Ich tat mein bestes, um möglichst viel über die Juden zu lernen. Ich lernte sogar Hebräisch, da ich die Sprach zum Verständnis der jüdischen Mentalität für unabdingbar hielt. Ich wurde auch nach Palästina geschickt, um mehr über die dort lebenden Juden zu lernen.
Und während meiner Amtsführung hat es keine Willkür gegeben, in meinem Dezernat, in meiner Dienststelle. Wo ich solche antraf, habe ich aber unverzüglich und unbarmherzig durchgegriffen.
Jawohl. was meinem Volk nützt, ist für mich heiliger Befehl und heiliges Gesetz. Ich bin nur ein kleiner Mensch und habe dagegen nicht anzustinken,
Mozart: (mischt sich ein) Ich mache die Probe, tue den ersten Finger im Arsch und dann zur Nase. wo ich hingehe, so stinkt es.
Eichmann: (fährt fort) ich kanns auch nicht, ich will es auch gar nicht.
Selbstverständlich, muss ich sagen, kommt dazu menschliche Regung. Auch ich bin nicht frei gewesen davon, auch ich unterlag derselben Schwäche, das weiß ich, auch ich bin schuld mit daran, dass die vielleicht von irgendeiner Stelle vorgesehene oder mir vorgeschwebte Konzeption der wirklichen, umfassenden Eliminierung nicht durchgeführt hat werden können.
Wenn 10,3 Millionen dieser Gegner getötet worden wären, dann hätten wir unsre Aufgabe erfüllt. Ich hasste ja nicht nur die Juden, ich hasste in diesen Tagen alles, was dem deutschen Volk an den Kragen ging. Das Wort Reichsfeinde war für mich wie das Wort für einen Geistlichen der Teufel.
Es ist verhext, mein Leben. Was ich auch plante, was ich auch wollte und mache und machen will, mir macht das Schicksal einen Strich durch die Rechnung.
Ich bin keine so robuste Natur, die sagen wir mal, ohne irgendwelche Reaktionen etwas über sich in dieser Art … über sich in dieser Art ergehen lassen kann.
Mozart: Wie haben Sie noch zweifeln können? ich scheiße schon wirklich bald 22 Jahr aus dem nämlichen Loch. und wir essen gleich, damit wir hernach wieder scheißen.
Eichmann: Wenn ich eine klaffende Schnittwunde bei einem Menschen sehe, dann kann ich nicht zusehen. Ich hab da auch nicht hingeschaut die ganze Zeit – aber dann sah ich das Entsetzlichste, was ich in meinem Leben bis dahin gesehen hatte. Da war ich bedient. Da war ich fertig. Da ist mir schlecht geworden. Ich konnte nichts mehr sagen, ich musste weg. Ich war dem nicht gewachsen. Das nächste Mal sagte ich, schicken sie jemanden anderen, jemanden robusteren. Die kippen nicht aus den Latschen. Ich kann’s nicht sehen, in der Nacht kann ich nicht schlafen, ich träume.
Ich will nicht sagen, dass ein, ein … ich eine mädchenhafte Empfindlichkeit an den Tag gelegt habe, aber ich bin bedeutend empfindlicher als viele andere.
Mozart: (mischt sich ein, schreit) schlafens gesund, reckens den Arsch zum mund, schlafens gsund, schlafens.
Eichmann: (fährt fort, respektlos) Wenn mir etwas furchtbar unangenehm ist, und ich kann von dem Gedanken nicht abkommen, um mich abzulenken mit Gewalt sage ich zu mir: Ich glaube an Gott den Vater, den heiligen Geist,
Mozart: (mischt sich wieder ein, schimpft) Poz Himmel, Tausend Sakristei. Teufel, Kreuz-Battalion. Jesuiter, Augustiner, Adolfiner, Capuziner, Adolfiner.
Eichmann: (fährt fort) geboren von der Jungfrau Maria. Ja, ich bin gottgläubig, aber ich komme immer mehr zur Erkenntnis, dass Gott unmöglich so klein ist wie in den Sachen, die in der Bibel stehen. Ich sage mir: Der Gott, an den ich glaube, ist größer als der Christengott. Denn ich glaube an einen gewaltigen, an einen ganz großen Gott. Eigentlich glaube ich, dass in der kosmischen Bewegung,
Mozart: (mischt sich ein, laut) Luft, Wasser, Erd und Feuer, Poz Element, Du Komponisten-Oarsch, du Swastika tätowierter, du dreckige Laus, du Dreck, Schleck, Schmeck, Dreck, Leck.
Eichmann: (fährt fort) in der Bewegung des Alls, der einzige und ursprünglichste Sinn allen Lebens überhaupt zu finden ist.
Ich muss sagen, ich war nicht gerade der fleißigste Schüler. Ich las überhaupt nicht – sehr zum Kummer meines Vaters, der mich immer darauf hinwies, dass er eine ausgezeichnete Bibliothek zu Hause habe mit sämtlichen Klassikern und dass er die offenbar umsonst im Laufe seines Lebens zusammengetragen hat. Ich las die spezifischen jüdischen Bücher;
Mozart: (mischt sich ein, zynisch) Immer was gescheites macht Kopfweh, Ich soll was gescheites schreiben!
Eichmann: (fährt fort) ich lese Bücher über Freimaurer. Ich kann nicht sagen, dass ich überhaupt ein anders Buch – sagen wir Romane oder irgendetwas anderes lese. Nie in meinem Leben las ich Kriminalgeschichten oder Liebesromane, bis heute noch nicht. Auch Mein Kampf habe ich nie ganz und gründlich gelesen.
Die Regierung wollte ja eine Lösung des Judenproblems, und ich, der ich nun von kleinsten Anfängen heraus immer mehr in die Materie hineinwuchs, hatte ja nichts anderes zu tun, als den Befehlen der Regierung nachzukommen. Ich legte alles vorher schriftlich auf dem Dienstweg fest und bat um Weisung, wie ich mich zu verhalten hätte.
Jetzt, wo ich die Sache höre – nämlich nicht in der, in der, in der nüchternen Art, nämlich vernichten, usw. – ist es möglich, streite ich es nicht ab.
Mozart: Die Stützen meines Arsches sind immer, sind stets gewesen, und werden immer bleiben. Aber warum nicht? Warum soll ich sie nicht schicken? Kurios ich wüßte nicht warum nicht! Kurios, ich tue ihnens ja auch wenn sie wollen.
Eichmann: Und ich muss sagen, ich fühle mich sehr erleichtert, denn das Hören und Sprechen ist stets etwas anderes als Tun oder Sehen.
Sie waren mir alle fremd, ich hatte mit den Leuten nichts zu tun gehabt. Ich bin damit nicht befasst worden, und wo ich nicht befasst worden bin, da kann ich mich ja nun nicht partout hineinlegen.
Man war nett, man war höflich, man freute sich, man sprach über dieses und jenes, aber das Ziel wurde nicht erreicht.